Thomas Nast – der Mensch und sein Werk
Thomas Nast wurde 1840 in Landau als Sohn eines bayerischen Militärmusikers und seiner aus Mörlheim stammenden Mutter geboren. Schon als 6-jähriger Junge wanderte er 1846 mit seiner Mutter, seiner älteren Schwester und der Schwester seines Vaters in die USA aus. Sein Vater, der nach der Abreise von Frau und Kindern auf eigenen Wegen die USA zu erreichen suchte, vereinigte sich mit seiner Familie erst vier Jahre später in New York9.
Thomas Nasts Schulzeit in New York war keine Erfolgsgeschichte. Auch ein Wechsel auf eine deutschsprachige Schule brachte nicht den erhofften Lernerfolg in den grundlegenden Fächern10 Dagegen fiel er seinen Lehrern früh durch sein besonderes Zeichentalent auf und wurde entsprechend gefördert. Nach seinem 13. Lebensjahr erhielt Thomas Nast von Frederick Kaufmann, einem anerkannten deutsch-amerikanischen Maler, privaten Unterricht und er konnte bald eine Ausbildung an der New Yorker „Academy of Design“ aufnehmen. Mit großem Eifer besuchte er zusätzlich Museen und Galerien, um sein Zeichen- und Maltalent durch Kopieren der dort hängenden Meistergemälde zu schulen. Als Fünfzehnjähriger verließ er die Kunstakademie, um eine Stelle als Zeichner und Graveur bei „Frank Leslie’s Illustrated News“ in New York anzunehmen. Der versierte Zeichner Sol Eyting nahm den jugendlichen Nast unter seine Fittiche und verhalf ihm in einer Art Lehrzeit von gut drei Jahren zur Meisterschaft im journalistisch ausgerichteten Zeichnen und Gravieren.
Der heranwachsende deutsche New Yorker nahm wach an dem turbulenten Leben der expandierenden Einwanderermetropole teil. Mit wachsendem Interesse setzte er sich mit den gesellschaftlichen und politischen Geschehnissen auseinander, zumal sie ja die Themen seiner täglichen Zeichen-und Gravur Arbeit abgaben.
Seine sich dabei entwickelnden politischen Ansichten richteten sich gegen das von Iren und der demokratischen Partei beherrschte System der Patronage und Korruption in der Stadt New York. Seine engagierte Beteiligung an den Kampagnen von Frank Leslies Magazin, wie z.B. der Kampf gegen die Korruption in der städtischen Polizei und die Aufdeckung des Skandals um Produktion verdorbener Milch, führten zu einen kritischen Zugriff auf die Politik.
Die in der nationalen Politik immer stärker in den Vordergrund tretende Frage der Sklaverei veranlasste Thomas Nast, wie so viele der deutschen Einwanderer auch, sich der Haltung der 1856 gegründeten Republikanischen Partei zuzuwenden, da diese als wesentliches politisches Ziel die Eindämmung der Sklaverei in den USA verfolgte.
Nach gut dreijähriger Mitarbeit verließ Thomas Nast als 19-jähriger „Frank Leslie’s Illustrated News“ und übernahm als freier Mitarbeiter unterschiedliche Aufträge von der „New York Illustrated News“ und „Harper’s Weekly“
Er besuchte Europa, berichtete auftragsgemäß von dem in England stattfindenden Weltmeisterschaftskampf im Boxen, zog als Kriegsberichterstatter im Befreiungskampf mit Garibaldi durch Italien und stattete auf der Rückreise seiner Geburtsstadt Landau und seinen Verwandten einen wenige Tage währenden Besuch ab. Es blieb sein einziger11
Thomas Nast heiratete im September 1861 Sarah Edwards, eine Tochter aus einer liberalen Familie des New Yorker Bildungsbürgertums. Nast hat dieser Verbindung unter anderem seine Liebe zum Theater und zur Literatur zur verdanken. Über Sarahs Belesenheit wurde er mit den Stoffen der Weltliteratur vertraut, die er später in der Bildlichkeit seiner Karikaturen als signifikante visuelle Ausdrucksmittel einsetzte. Im Jahre 1862 erfolgte Thomas Nasts feste Anstellung bei „Harper’s Weekly“, die zu einer über zwei Jahrzehnte währenden Zusammenarbeit werden sollte.
Mit Rücksicht auf seine junge Frau trat er nicht in die Armee ein und war bis auf ein paar Monate zuhause in New York. Doch griff er als Zivilist und Illustrator in nicht gekannter Wirksamkeit entscheidend in den Ablauf des Krieges ein. Mit seinen berühmt gewordenen Bürgerkriegsillustrationen in „Harper’s Weekly“ ( wie zum Beispiel „Christmas Dinner“, „Santa Claus in Camp“, „A Gallant Colorbearer“‚ „War in the Border States“, „Christmas Furlough“) traf Thomas Nast die in den Nordstaaten vorherrschende patriotische Stimmung und verstärkte sie
Weihnacht an der Front
Er trug damit wesentlich zum Widerstandswillen der Unionsbevölkerung in den kritischen Jahren 1862-1863 bei, als die erhofften schnellen militärischen Erfolge ausblieben.
Präsident Lincoln zollte dem Wirken Nasts höchstes Lob, auf das dieser zu Recht stolz war: “Thomas Nast has been our best recruiting sergeant. His emblematic cartoons have never failed to arouse enthusiasm and patriotism, and have always seemed to come just when these articles were getting scarce“19.(Thomas Nast war unser bester Rekrutierungsoffizier. Seinen Karikaturen gelang es immer, Beigeisterung und Enthusiasmus zu wecken, und zwar immer dann, wenn es daran zu mangeln schien)
Auch U.S. Grant bewertete in der Rückschau den Beitrag des Zivilisten Nast zur der Erhaltung der Union als einzigartige Leistung20.
Nach dem Bürgerkrieg schlug Nast als Zeichner einen neuen Weg ein und entwickelte seine gefühlsbetonten Illustrationen hin zur politischen Karikatur. Im publizistischen Kampf gegen den korrupten Boss William Tweed des New Yorker „Tammany Ring“ schuf er sarkastisch pointierte und in der Aussage unmittelbar wirkende cartoons , die ihm die Bezeichnung ‚Vater der modernen politischen Karikatur’ eintrug. In der monatelangen Kampagne gegen den „Tammany Ring“ entfaltete sich „Nast’s most powerful work: a sustained attack which in its passion and effectiveness stands alone in the history of American art"21.(….entfaltete sich Nasts mächtigstes Wirken: eine anhaltende kontinuierliche Attacke, die in Leidenschaft und Effektivität in der Geschichte amerikanischer Kunst kein Beispiel findet).
Thomas Nast, „Who stole the People’s Money?” – “ ‘Twas Him!”
Die Tatsache dass der allmächtig erscheinende Boss William Tweed im November 1871 für eine strafrechtlichen Verfolgung festgenommen werden konnte, war nach dem Empfinden der Öffentlichkeit vorwiegend Nasts unbeirrter Offenlegung des korrupten Systems Tweed in Stadt und Staat New York in seinen Karikaturen zu verdanken. Die “New York Times” und der “Union League Club of New York” waren mit ihren Initiativen Nasts renommierte Verbündete.
Nast wurde in diesen Jahren zu einem der einflussreichsten Journalisten im politischen Meinungskampf der USA. Am 20. März 1872 rühmte die „New York Times“ in einem Leitartikel dessen für einen Künstler einzigartige politische Macht22. In Jahresfrist hatte sich die Auflagenzahl von „Harper’s Weekly“ verdreifacht und Thomas Nast wurde neben Chefredakteur und Mitherausgeber George Curtis zur bestimmenden Persönlichkeit in der nunmehr bedeutendsten politischen Wochenzeitung der USA23.
Eine Konstante in Nasts politischer Haltung war seine Verehrung für den Bürgerkriegsgeneral und zweimaligen Präsidenten U.S. Grant. Mit bissigen Karikaturen bekämpfte Nast Grants politische Konkurrenten und hat so mitentscheidend zu dessen zweimaligen Wahlsieg beigetragen.
In der bildlichen Gestaltung seiner Karikaturen setzte er zunehmend auf Klarheit in der Komposition und gebündelte Schlagkraft in den Aussagen. Er prägte Symbole wie den reißenden Tiger und den beutemachenden Geier, den Elefanten für die republikanische Partei, popularisierte den Esel als Symbol für die demokratische Partei und schuf die Figur des Uncle Sam zur Verkörperung der USA. Er entwickelte die Figur des Santa Claus und erfreute damit zusammen mit seinen jährlichen Weihnachtsillustrationen Jung und Alt in der ganzen Nation.
Santa Claus
Tomas Nast wurde in Landau in bescheidene Lebensverhältnisse hinein geboren. Die Familie des Militärmusikers und der bei einem Färber arbeitenden Mutter wohnten wegen der „Familienresidenzpflicht“ in der „Roten Kaserne“ in Landau. Das Leben in Gemeinschaft mit soldatischen Stubengenossen bedeutete ein für heutige Vorstellungen „menschenunwürdiger Zustand“24.
Gedenktafel für Nast
Rote Kaserne, Geburtshaus Nasts
Dennoch hatte Vater Josef Nast für den Fall einer Auswanderung und die Gestellung eines Ersatzmannes genügend Geld hinterlegt und Mutter Appolonia konnte bei der Einschiffung in Le Havre neben einem bezahlten Billet auch genügend Barmittel vorweisen, um ausreisen zu dürfen. Die vergleichsweise komfortable Belegung einer Kajüte bei der Überfahrt und der problemlose Start in das neue Leben in New York lassen darauf schließen, dass die Familie nicht mittellos war25. Dennoch war das Leben der Nasts in New York durch eher bescheidene wirtschaftliche Verhältnisse gekennzeichnet, was auch Nasts frühzeitige Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses erklärt.
Thomas Nast, vom Wuchs her eher klein, stellte sich in seinen Zeichnungen, häufig als kleinen dicken Jungen und Jugendlichen dar, der mit wirrem Jahr und unordentlicher Kleidung nicht viel Wert auf äußere Form legte. Fernab jeglicher Eitelkeit machte er sich mit seinem angeborenem Humor häufig über sich selbst und seine vermeintlichen Schwächen lustig. „By mocking himself, Nast transformed his lack of education and maturity into the very qualities that made him a pleasant companion. He used this method not only in his courtship to Sarah Edwards but also in his travels, employment, and friendships for the rest of his life”26 (Indem er sich über sich selbst lustig machte, kompensierte er den Mangel an Bildung und Reife und wurde so zu einem angesehenen Zeitgenossen. Dieser Wesenszug half ihm bei seiner Werbung Sarah Edwards ebenso wie bei seinen Reisen, seinen Anstellungen und Freundschaften für den Rest seines Lebens
(Bild 7) Selbstportrait
Seine ethnische Identität als Einwanderer deutscher Herkunft wurde zunächst durch seine Sozialisation in dem mit „Kleindeutschland“ vergleichbaren Bezirk der William Street nachdrücklich verstärkt. “To be a German immigrant was to buy German cakes at the corner store, to attend a German school, and to apprentice a German master artist”27. (Ein deutscher Einwanderer zu sein bedeutete, deutsche Kuchen im Laden an der Ecke zu kaufen, eine deutsche Schule zu besuchen und bei einem deutschen Meister in die Lehre zu gehen.)
Mit seinem Karrierebeginn als Zeichner zu Zeiten des Bürgerkriegs und seiner Heirat mit Sarah Edwards begann bei Nast die Loslösung von seinem Familienhintergrund und seiner ethnischen Prägung. Er trat seinen Weg in die Mitte der amerikanischen Gesellschaft an, von wo er aus mit der patriotischen Gesinnung eines amerikanischen Staatsbürgers seinen so bedeutenden Beitrag für die Erhaltung der Union leistete. Karl Scherer betont zurecht, dass Nast kein „Bindestrich-Amerikaner“ war und sich nicht als Zugehöriger der Volksgruppe der German-Americans betrachtete. In seiner persönlichen Umgebung findet man nur wenige German-Americans und die in weiten Teilen der USA verbreiteten Eigentümlichkeiten der deutschen Alltagskultur hat er mit seinen Karikaturen und Zeichnungen eher satirisch begleitet.
Nasts Zusage für ein Dinner der Armee in einem deutsch-amerikanischen Lokal 12. Dez. 1894
„Dutch Th. Nast“
Dutch: holländisch und ‚deitsch’ .
Nasts betont amerikanische Position „wird auch durch die Tatsache unterstrichen, dass keine Phase von Nasts künstlerischem Schaffen mit dem Namen einer der vielen deutschsprachigen Tages-oder Wochenzeitungen in den Vereinigten Staaten verbunden ist. Die politischen Verhältnisse und Entwicklungen in Deutschland und Europa, die er mit dem Zeichenstift kommentierte, sah er aus der Perspektive des amerikanischen Bürgers“28.
Thomas Nast fühlte sich zu Menschen hingezogen, die klare Konturen, ungekünstelte Umgangsformen und pragmatische Haltungen aufwiesen, wie z. B. U.S. Grant und Mark Twain. Bei hochgebildeten und intellektuell ausgerichteten Persönlichkeiten fühlte er sich unbehaglich. Wegen seiner kurzen Schulausbildung und seinem Kampf um eine korrekte englische Sprache mied er Briefwechsel mit sich elaboriert ausdrückenden Persönlichkeiten, wie die seines Chefredakteurs George W. Curtis29. Einerseits wurde Nast durch die kulturelle Offenheit der Familie seiner Frau Sarah Edwards geprägt und er unternahm neugierige Kulturreisen nach Europa, strebte aber andererseits nach den Sicherheiten der American middle class. Thomas und Sarah Nast „ built a life that reflected Nast’s interest in the themes of middle-class American culture: domesticity, sentimentalism, and respectability”30.( Thomas und Sarah Nast bauten sich ein Leben auf, das Nasts Interesse an Themen der amerikanischen Mittelschicht spiegelte: Häuslichkeit, Sentimentalität und Ehrbarkeit)
Seine erste mit einem Kredit getätigte Anschaffung für den eigenen Hausstand war ein Klavier. Zum Kraftzentrum seines Lebens wurde sein geliebtes großzügiges Haus in Morristown, New Jersey, wo er die Sicherheit des Familienlebens mit vier Kindern und den Besuch von Freunden genoss.
Es war für ihn eine Befriedigung, die doch kleinen Verhältnisse seines ersten Hauses in Harlem zu verlassen, um sich 1872 in Morristown in teils bürgerlichen und teils künstlerischen Ambiente Platz zum Arbeiten und für seine vielen Kunstgegenstände zu schaffen. Es war aber kein biedermeierlicher Rückzug, denn Nast genoss den Kontakt und die Gesellschaft ausgesuchter Zeitgenossen. Darunter waren herausragende Persönlichkeiten, auf die er als Mitglied von New Yorker Clubs traf. Er gehörte zumindest fünf Vereinigungen an: dem „Players Club“, dem „Union League Club“, dem „Lotus Club“, der „Century Association“ und der „Grant Birthday Association“31. Die spezifischen Zielsetzungen dieser Vereinigungen erhellen zugleich die Interessensschwerpunkte in Nasts Leben: seine Liebe zu Kunst, Literatur und Theater und sein Glaube an eine von jeglicher Bevormundung freie Gesellschaft von engagierten Bürgern und die Wertschätzung eines republikanischen Staats, der für eine faire, korruptionsfreie Regierung sorgt.
Thomas Nast vertrat vehement die Trennung von Kirche und Staat, eine Auffassung, die ihn in mehreren Karikaturen zum Angriff auf die katholische Kirche und deren Einwirkung auf Schule und Gesellschaft veranlassten. Sein Missfallen an katholischen Glaubenspraktiken hatten den katholisch getauften Nast dazu gebracht, seinen Glauben schon in der Jugendzeit aufzugeben32.
Als erfolgreicher Karikaturist, Zeichner und Illustrator hat sich Nast bis zu Beginn der 80-iger Jahre einen beachtlichen Wohlstand geschaffen. Bei unüberlegten Investitionen in Eisenbahnpapiere und Silberminen ließ er jedoch Vorsicht und Weitsicht vermissen. Durch betrügerische Machenschaften und die Wirtschaftskrise von 1883/84 verlor er erhebliche Mittel und musste für den Rest seines Lebens in der Bedienung von Hypotheken hart dafür kämpfen, dass er sein geliebtes Haus in Morristown in seinem Besitz halten konnte.
Nast mit leeren Taschen
Um dem großen alten Herrn, der sich um die USA so verdient gemacht hatte, im Alter finanzielle Sicherheit zu gewährleisten, bot Theodore Roosevelt Thomas Nast 1902 den Posten eines Konsuls in Guayaquil in Ecuador an und er konnte es sich nicht leisten, dies abzulehnen33. Dort ist er Ende des Jahres an Gelbfieber gestorben.
Thomas Nast hatte in den frühen 1860-iger Jahren das Privileg, bei seinen Aufträgen für die New Yorker illustrierten Zeitungen mit arrivierten Künstlern und Zeichnern wie Alfred A. Waud, Arthur Lumley und dem noch heute noch sehr geschätzten Winslow Homer zusammenarbeiten zu können. Bei Ausbruch des Bürgerkriegs entschieden sich die genannten Künstler als combat artists mit den Truppen ins Feld zu ziehen, während Thomas Nast wegen seiner bevorstehenden Verheiratung in New York blieb. Hier hatte er unter anderem auch die Aufgabe, die von den combat artists zugesandten Zeichnungen zu Holzschnitten für die Drucklegung zu verfertigen. Dabei hat der junge Thomas Nast einige Male den später von ihm zugestandenen Fehler begangen, die von ihm gravierten Holzstiche und damit die veröffentlichen Illustrationen mit seinen Initialen („T.N“.) zu versehen. Dies stieß auf Kritik der betroffenen Künstler, wobei Arthur Lumley sogar den Vorwurf des Plagiats erhoben hat. Hinsichtlich Nasts selbstverfertigter und äußerst populär gewordener Bürgerkriegsillustrationen kam von Alfred A. Waud der Vorwurf an Nast, seine Werke nicht aus eigener Anschauung sondern durch Entlehnungen aus Zeichnungen anderer Künstler geschaffen zu haben71.
Thomas Nast hat sich in der Tat nur wenige Wochen während des Frühsommers 1863 in South Carolina und Pennsylvania aufgehalten, ohne größere Kampfhandlungen gesehen zu haben72. Es ist allerdings Nast mit Halloran zuzugestehen, dass er für seine Illustrationen keinen dokumentarisch-realistischen, sondern einen imaginären, verdichtenden Zugriff auf seine Kriegssujets anstrebte. Die wie Alfred A.Waud fast ohne Unterbrechung und jahrelang im Feld arbeitenden combat artists haben nicht viel Verständnis für den auf Gefühlswirkung abzielenden zeichnerischen Zugriff Nasts.
(Bild 11) Schlachtenszene aus dem Bürgerkrieg; Schwarze kämpfen mit
Als Jahrzehnte später (1893) die Leistung der Feldberichterstatter und combat artists durch ein eigenes Denkmal für die „Bohemian Brigade“ in Antietam eine besondere Ehrung erfuhr, wurde Thomas Nast nicht aufgeführt, dafür aber Alfred A. Waud, Arthur Lumley und Henry Villard74
Thomas Nasts Rolle in der parteipolitischen Auseinandersetzung
im Vorfeld der Präsidentschaftswahl von 1872 wurde im Nachhinein äußerst kritisch gesehen. Wegen des vermeintlichen Versagens des seit 1868 amtierenden Präsidenten U.S. Grant tat sich eine Gruppe von Politikern der „Republican Party“ zusammen, um eine zweite Amtszeit von U.S. Grant zu verhindern. Darunter waren Murat Halstead, Whitelaw Reid, Horace White, Horace Greeley und Carl Schurz (“war Ende der 1840er Jahre ein radikaldemokratischer deutscher Revolutionär und nach seiner Auswanderung in die Vereinigten Staaten während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts US-amerikanischer Politiker. Von 1877 bis 1881 hatte er unter der Präsidentschaft von Rutherford B. Hayes das Amt des Innenministers der USA inne“, Zitat aus Wikipedia)
Sie gründeten Anfang 1872 die „Liberal Republican Party“, die Horace Greeley zum Präsidentschaftskandidaten bestimmten. Greeley – früher ein strenger Sklaverei-Gegner- setzte nun sieben Jahre nach dem Bürgerkrieg auf eine Versöhnung mit den Südstaaten, woraufhin er auch die Unterstützung der „Democratic Party“ für seine Kandidatur erhielt.
Thomas Nast hatte für diese Herausforderung von U.S. Grant nur Hohn und Spott. Mit über 85 Karikaturen attackierte er monatelang und Woche für Woche vor allem Horace Greeley und Carl Schurz, die Urgesteine der „Republican Party“.
Er schreckte nicht davor zurück, in einigen Karikaturen die beiden verdienten Politiker als Verräter an der Sache Lincolns und an den Kriegsopfern der Union darzustellen.
Dabei überschritt er nach Einschätzung Vieler die Grenze zwischen kritischer Karikatur und persönlicher Verleumdung75. Versuche von Carl Schurz und dem verantwortlichen Herausgeber von „Harper’s Weekly“, George W. Curtis, Nast zu einer Abschwächung seiner Kampagne gegenüber zu bewegen, fruchteten nichts.
Nast war nach seinem Sieg über den „Tammany Ring“ in allem was er machte, unangreifbar geworden: er wurde von Verleger Fletcher Harper gestützt76. Als nach der für U.S. Grant siegreichen und Greeley vernichtenden Wahl im November 1872 zunächst die Gattin von Horace Greeley und wenig später Greeley selbst verstorben ist, gab es Stimmen, die Thomas Nast daran die Schuld gaben77
Nasts unnachgiebiger Kampf gegen die politischen Gegner von U.S. Grant
ist zeit seines Lebens nicht in Vergessenheit geraten. Bei einem 1892 gegebenen Dinner im „Lotus Club New York“, das zu Ehren des bekannten britischen Karikaturisten Harry Furniss vom London „Punch“ veranstaltet wurde und bei dem Thomas Nast als Ehrengast neben Furniss platziert worden war, hat dieser nach dem Bericht der „New York Times“ bei seiner Entgegnungsrede auf die Begrüßung eine satirische Attacke auf spezifisch amerikanische Eigenheiten geritten. Die “New York Times” berichtet: „After saying that what suited one people did not suit another, Mr. Furniss referred to the American newspapers, saying: ‘Your American newspapers are like your American dinners, all put before you at once.’ Then he added: ‘You kill your public men with your broad caricatures.’ ‘And you fellows can’t’, interrupted Mr. Nast. The diners laughed, and laughed still louder when Mr. Furniss replied: ‘Our public men are too strong to be killed by such flippancy’”78.(Nachdem er bemerkte, dass das, was den Seinen gefiel, nicht auch den anderen gefalle, bezog sich Mr. Furniss auf die amerikanischen Zeitungen: “Ihre amerikanischen Zeitungen sind wie Ihre amerikanischen Mahlzeiten – alles wird gleichzeitig auf einem Teller serviert.” Dann ergänzte er: “Mit Ihren umfassenden Karikaturen vernichten Sie die Männer, die in der Öffentlichkeit stehen.” “Das ist etwas, was Sie nicht fertigbringen” (bei sich in Großbritannien) unterbrach Thomas Nast. Die Anwesenden lachten und amüsierten sich als Furniss darauf entgegnete: “Unsere öffentlichen Personen sind zu stark, um durch solche Keckheiiten vernichtet zu werden.)
Auszug aus “Henry Villard-Hilgard und Thomas Nast: Große Karrieren - persönliche Distanz“ von Karl Erhard Schumacher. Erschienen in Pfälzer Heimat , Jahrgang 65, Heft 1, 2014.
9 PAINE, Albert Bigelow: Thomas Nast, His Period and his Pictures, New York 1904, S.9f.
10 HALLORAN, Fiona Deans: Thomas Nast, The Father of Modern Political Cartoons, University of North Carolina Press 2012, S. 3.
11 Ebd. S. 56-61.
19 PAINE, Albert Bigelow wie Anm. 9, S. 67.
20 Ebd. S. 106.
21 KELLER, Morton: The Art and Politics of Thomas Nast, New York 1968, S. 6ff.; REAVES, Wendy Wick:Thomas Nast and the President. In: American Art Journal, Bd. 19 (1) Winter 1987, S. 60-71.
22 New York Times, 20. März 1872, zitiert bei: Cartoonist Thomas Nast vs. Candidate Horace Greeley, The Election of 1872-Introduction, Homepage ‘HarpWeek’ www.nastandgreeley.harpweek.com (Zugriff 4.12.2013).
23 KELLER, Morton wie Anm. 21, S. 181.
24 GLESSGEN, Hermann, Thomas Nast - Ein Landauer. In: Blinn, Hans (Hrsg.): Thomas Nast, Ein Landauer, der amerikanische Geschichte zeichnete und machte, Landau o.J., S. 6. –19, S. 8.
25 Ebd. S.14 f..
26 HALLORAN, Fiona Deans wie Anm.10, S. 40.
27 Ebd. S. 7.
28 SCHERER, Karl,Thomas Nast- Ein Pfälzer in Amerika. In: Blinn, Hans (Hrsg.): Thomas Nast, Ein Landauer, der amerikanische Geschichte zeichnete und machte, Landau o.J., S. 82-104, S. 83.
29 HALLORAN, Fiona Deans wie Anm.10, S.231.
30 Ebd. S.45 f. (zu deutsch: Häuslichkeit, Gefühlsbetonheit, Anstänigkeit/Angesehenheit).
31 Ebd.. S.1; PAINE, Albert Bigelow wie Anm. 7, S.133f.; die NewYork Times vom 24 April 1892 berichtet von einer Rede Nasts im Lotus Club; Century Association archives online: www.centuryarchives.org/ead/century_association_records.html (Zugriff 17.11.2013); Union League Club New York www.unionleagueclub.org ( Zugriff 17.11.2013).
32 HALLORAN, Fiona Deans wie Anm.10, S. 36.
33 PAINE, Albert Bigelow wie Anm. 9, S. 557.
71 HALLORAN, Fiona Deans wie Anm. 10, S. 272 f.
72 STARR, Louis M. wie Anm. 55, S. 209; HALLORAN, Fiona Deans wie Anm. 10, S.63 f., S. 140, S.285ff.
74 Homepage ‚National Park Service, Antietam’ : www.nps.gov/anti/historyculture/mnt-arch.htm (Zugriff 22.11.2013).
75 LARSON, Robert C. Larson: Thomas Nast contra Carl Schurz- Zwei Deutsche, die amerikanische Geschichte machten.In: Blinn, Hans (Hrsg.), Thomas Nast, Ein Landauer, der amerikanische Geschichte machte, Landau o.J., S. 106-133 ,S.110ff. und S. 128.
76 PAINE, Albert Bigelow wie Anm. 9, S.230-244.
77 HELLMANN, Claudia: Die amerikanischen Präsidentschaftswahlkämpfe von 1864 bis 1896, Diss.München 2006, S.133ff.
78 New York Times, 24.April 1892 (flippancy zu deutsch etwa: Frivolität, Keckheit).
79 Perry, James M. wie Anm. 12, S.52.
80 HALLORAN, Fiona wie Anm. 10, S.32f., S.41-45.
81 TAFT, Robert: Artists and Illustrators of the Old West, Princeton 1953; HARPER’S WEEKLY Nr. 27 Jg.1883, 15. Dezember 1883.